DER AMIGA - EIN TRAUM
Der Amiga hat von Anfang an den Träumern gehört.
Ich war ein einfacher Junge aus dem Süden Chicagos, aber ich wollte etwas
Weltbewegendes tun.
Als ich zu Amiga ging, hatte ich den Traum von einem neuen Computer,
einem, den ich selbst benutzen wollte - cool, ungemein schnell und leistungstark.
Wir bei Amiga träumten alle denselben Traum. (R.J. Mical)
Die Geschichte des AMIGA.
(von David Twigg-Flessner)
Am 3.Juni 1986, 14.20 Uhr stehe ich ungeduldig vor dem noch
geschlossenen Eingang meines »autorisierten Commodore-Händlers«
und warte darauf, meinen Traumcomputer endlich in Empfang zu nehmen. Am Vortag,
eine halbe Stunde vor Geschäftsschluß, war der langersehnte Anruf
gekommen: »Wir haben soeben eine Amiga-Lieferung bekommen - 20 Stück.
Wenn Sie einen haben wollen, müssen Sie sofort kommen.« Aber wie?
Ich wohnte eine gute Stunde Autofahrt vom Händler entfernt! Also schnell
eine Vereinbarung für das Abholen am nächsten Nachmittag getroffen:
»Aber wenn Sie bis 15.00 Uhr nicht hier sind, werden wir das Gerät
nicht länger reservieren können - wir haben über 50 Bestellungen
bis jetzt, und Commodore kann uns nicht sagen, wann wir wieder Ware erhalten.«
14.29 Uhr. Jetzt stehen drei weitere Personen vor dem Eingang
und schauen sehnsüchtig auf den Amiga im Schaufenster, der unermüdlich
die Workbenchdemos - Boxes, Lines, Dots - in verschiedenen Fenstern vorführt.
Dann geht die Tür endlich auf. Wir stürmen zur Kasse, um unsere
Computer abzuholen. Nur noch drei Geräte auf Lager und alle bis 15.00
Uhr reserviert! Der zuletzt Gekommene dreht sich enttäuscht um »Da
habe ich heute wohl keine Chance mehr!« und geht. Ich nehme meinen Amiga
in Empfang. Das Gerät hat aber nur 256 KByte Speicher: »Nein, die
Erweiterung hat Commodore nicht mitgeschickt. Fragen Sie nächste Woche
mal nach. Externe Laufwerke waren auch nicht dabei, aber Sie können
ein Druckerkabel bekommen.« Wenigstens das!
Es fing so an, wie es häufiger in der Amiga-Geschichte
passieren sollte - Warenmangel. Aber ich hatte endlich meinen Amiga auf
den ich seit der ersten Ankündigung in der August-1984-Ausgabe von »Compute!«
gewartet hatte. Da war die Rede von einem Computer namens Lorraine, mit 128
KByte Speicher, 68000-Prozessor, Tausenden von Farben, Multitasking-Fähigkeit,
Modem und - was mich als Englischlehrer am meisten reizte - eingebauter Sprachsynthese.
Ich fing gleich nach der Lektüre des Berichts an, alles über diese
Maschine in Erfahrung zu bringen und wurde dadurch zu einem Entwicklungsgeschichte-Freak!
Diese Geschichte will ich hier erzählen.
Von Anfang an - 1982
Begonnen hat die Amigageschichte auf dem Höhepunkt
des ersten Videospielbooms in den USA Anfang der 80er Jahre. Jay Miner erzählte
es folgendermaßen: »1982 arbeitete ich an Herzschrittmacher-Chips
bei Zymos. Eines Tages kam Larry Kaplan, ein ehemaliger Kollege aus meiner
Zeit bei Atari (Jay hatte dort die Chips für das Videocomputersystem
2600 und die Computerreihen 400/800 entworfen), und sagte: »Ich möchte
eine eigene Firma gründen, kennst du einen guten Anwalt?« Ich brachte
Larry mit meinem Boß bei Zymos zusammen, und sie haben dann einen Gründungsplan
aufgestellt. Mein Boß kannte auch einige Schrittmacherleute in Texas,
die eine Videospielfirma gründen wollten und die das erste Kapital in die neue Firma brachten. Dann konnten sie David Morse
von Tonka Toys als Präsident der neuen Firma gewinnen.
Der Plan sah so aus: Larry sollte die Spiele entwerfen,
ich die Chips; David sollte sich um das Finanzielle kümmern, und die
fertigen Chips sollte Zymos herstellen (Mein Boß wollte schließlich
auch was für seine Bemühungen bekommen!). Als es aber losgehen
sollte, hatte Larry andere Interessen entdeckt und stieg aus. Also wurde
ich zum Vizepräsident mit Verantwortung für die Produktentwicklung.«
Die so entstandene Firma trug den Namen »Hi Toro«.
Unter diesem Namen wurden die ersten Fühler nach geeigneten
Mitarbeitern ausgestreckt. Viele wurden von dem Namen verwirrt. Dale Luck
erinnert sich: »Als ich den Namen zuerst hörte, dachte ich nur
an Rasenmäher (Es gab tatsächlich eine Rasenmäherfirma mit
ähnlichem Namen), und viele andere auch. Deswegen wurde der Name schleunigst
geändert. Wir suchten einen Namen, der etwas mit »freundlich«
zu tun hatte, und so kamen wir auf das spanische Wort für Freundin -
Amiga.«
Die Geldgeber wollten unbedingt eine Videospielkonsole bauen,
aber schon seit seiner Atari-Zeit hatte Jay die Idee gehabt, einen neuen
Computer mit dem Motorola-68000-Prozessor zu bauen. Die Atari-Leitung winkte
ab und die Idee schlummerte, bis Larry Kaplan erschien. Jay erzählt
weiter: »Das war meine Chance, diesen Computer zu bauen. Ich erklärte
mich bereit, ein Spielegerät zu entwickeln, unter der Voraussetzung,
daß dieses Gerät auch zu einem vollwertigen Computer erweitert
werden könnte. Ich entwarf Chips, die zu einem Computer paßten,
und sie entwarfen ein Gehäuse für eine Spielekonsole. Anfangs sollte
es nur eine Option auf Tastatur und Laufwerk geben.« (Die Patentanmeldung
für dieses Gerät hat Jay Miner einige Jahre später Public
Domain gemacht.)
Aus Geheimhaltungsgründen fungierte die neue Firma
nach außen als Hersteller von Zubehör. Dazu R.J. Mical: »Es
war ein ungeheuerer Konkurrenzkampf in Silicon Valley. Sobald die Firma ihren
Betrieb aufnahm, schickten die anderen Firmen Späher, die mit Feldstechern
sämtliche Fenster beobachteten. Als sie gesehen haben, daß es
sich nur um Joysticks handelte, zogen sie beruhigt wieder davon.«
Diese Nebenprodukte der Firma wurden auch im Amiga verewigt,
und zwar in der gefürchteten »Guru Meditation«. Sie entstand
aus der Benutzung eines sog. Joyboard als Entspannungstherapie nach einem
Codeabsturz. Eigentlich war das Joyboard als Controller für Surf und
Skispiele gedacht und verlangte eine besonders ruhige Körperhaltung,
sollte der Cursor nicht kreuz und quer über den Bildschirm sausen -
genau das richtige Gerät für einen geladenen Programmierer! Wann
immer einer sich auf das Brett begab und das entsprechende Biofeedbackprogramm
startete, war den anderen klar: Der Guru muß wieder überlegen, warum es nicht geklappt hat!
Carl Sassenrath begründet seine Entscheidung, den Absturz
auf diese Weise mitzuteilen: »Um die Zeit kam der Macintosh auf den
Markt, mit den kleinen Bomben. Bis dahin hatte jeder Computer nur mit einem
dunklen Bildschirm auf eine Fehlfunktion hingewiesen. Ich dachte mir also:
Ein Programmierer, der gerade die Arbeit von zwei Stunden verloren hat, will
darüber lachen können.« Aber erst mit der Verfügbarkeit
des ROM-Debuggers WACK konnte auch auf die Stelle im Code hingewiesen werden,
an der der Fehler aufgetreten war.
Commodore wollte diese Meldung durch die nüchternere
Mitteilung »Software failure« ersetzen, was auch vorübergehend
geschah. Sehr zum Entsetzen vieler externer Entwickler, die lautstark protestierten.
Also wurde die Guru-Meldung wieder eingebaut. Sam Dicker weist auf einen
anderen Aspekt hin: »lch besuchte diese Amigagruppe (gemeint ist wohl
FAUG - First Amiga User Group) und beobachtete, wie die Clubmitglieder ihre
Programme vorführten. Bei jedem Absturz fingen alle Zuschauer an, "Gu-ru,
Gu-ru,..." zu skandieren. Ich glaube nicht, daß sie das mit "Soft-ware
fai-lure" getan hätten.« Der neue Computer sollte schließlich
nicht nur freundlich sein, sondern dem Benutzer auch Spaß machen!
An die ersten Entwürfe des Geräts erinnert Mical
sich genau: »Ich war zum Vorstellungsgespräch gekommen. Ich erhielt
die Herausforderung, eine Spielekonsole zu bauen. Als das Gespräch beendet
war und ich mir die Räumlichkeiten ein bißchen angesehen hatte
- alle erzählten mir ständig etwas von einer Spielekonsole! - ging
ich in Jays Büro. Er arbeitete gerade an einem Chip-Entwurf. Hinter
seinem Kopf war eine grobe Skizze der Schaltungen auf einer weißen
Wandtafel zu sehen. Beim Betrachten dieser Skizze bemerkte ich aber unten
links ein kleines Kästchen mit der Aufschrift KBD PRT und unten rechts
noch eins mit der Aufschrift EXTDRV. Tastaturanschluß und externes
Laufwerk für eine Spielekonsole?! Ich schaute Jay an und fragte: "Spielekonsole,
stimmt's?" Schmunzelnd antwortete er nur: "Ja, Spielekonsole."
Dann brachen wir beide in schallendes Gelächter aus.«
Jay Miner war nicht nur ein hervorragender Chipdesigner,
sondern auch ein hervorragender Menschenkenner, und es ist ihm zu verdanken,
daß das Arbeitsklima bei Amiga Inc. so gut war. Alle Mitglieder der
damaligen Mannschaft erinnern sich daran. Dale Luck war besonders beeindruckt,
als er seinen Vorstellungstermin verschwitzt hatte (»Wir hatten am Vorabend
bei Hewlett-Packard [seinem damaligen Arbeitgeber] eine Bierfete.«)
und dennoch zu einem neuen Termin eingeladen wurde: »Da wußte
ich, daß das Arbeitsklima mir zusagen würde.«
Dahiner steckte Jays Philosophie: »Den Mitarbeitern
zu gestatten, anders zu sein, ist ungemein wichtig. Dave Needle kam in flauschigen
Hausschuhen zur Arbeit; wen interessierte das, solange er seine Arbeit vernünftig
machte?« Viel Spielraum und Eigeninitiative wurde den Mitarbeitern eingeräumt.
Carl Sassenrath erinnert sich: »Ich wurde als Betriebssystemingenieur
eingestellt. Beim Vorstellungsgespräch sagte Bob Pariseau, ich könne
das so machen, wie ich wollte. Also sagte ich: Schön! Ich möchte
ein multitaskingfähiges System entwickeln.«
Nur wenige Monate nach Beginn des Projekts platzte eine
Bombe: Den Videospielmarkt gab es nicht mehr! Kein Mensch wollte eine Spielekonsole,
alle wollten, wenn überhaupt, einen richtigen Computer, nachdem Commodore,
mit dem VC 20 und C 64, und andere Firmen relativ preiswerte Geräte
anbieten konnten. Die Absatzlage war so schlecht, daß Atari Spielmodule
lastwagenweise zur nächsten Mülldeponie gefahren haben soll!
Jay Miner war optimistisch: »Da saßen wir also
mit der weltbesten Spielekonsole und keinem Markt! Die Vertriebsabteilung
geriet in Panik, aber ich sagte: »Kein Problem. Wir haben einen richtigen
Computer.« Ich schlug vor, das Gerät in einem großen Gehäuse
mit mehreren Steckplätzen, einer großen IBM-Tastatur, eingebautem
Laufwerk und leistungsstarkem Netzteil (für die Erweiterungskarten)
zu vermarkten. Wir haben uns hin und her gestritten und einigten uns schließlich
auf den Entwurf des Lorraine (Amiga 1000): kleines Gehäuse ohne
Steckleisten, kleine Tastatur, Laufwerk und 64 KByte Speicher!
Ich kriegte Zustände! Letztendlich konnte ich sie überzeugen,
auf 128 KByte zu gehen. Dann habe ich den Entwurf so ausgelegt, daß
man diese Chips durch andere ersetzen konnte, um auf 512 KByte zu kommen.
Als Commodore die Firma übernahm, ging das wieder los. Die wollten auch
nur 256 KByte haben. Ich sagte nur »Geht nicht«, und fuhr eine
Woche in Urlaub. Als ich wiederkam, [mit scharfem Blick auf den neben ihm
sitzenden Dave Needle] war es geschehen, und wer hat ihnen das gemacht - der da! Ich habe
es ihm nie verziehen.«
März 1983
Das Grundkonzept stand. Die Ingenieure konnten an die Arbeit
gehen. Sie durften, ja sollten kreativ sein; eine lockere Überwachung
sorgte dafür, daß sie sich nicht verrannten. Die Hardware- und
die Softwaregruppe arbeiteten eng zusammen: Die ersten berücksichtigten
bei ihren Entwürfen die Bedürfnisse der anderen, und die anderen
bemühten sich, die Hardwarefähigkeiten voll auszunutzen. Das Ergebnis
war, laut R.J. Mical, »eine kaum beschreibbare einheitliche Vision.
Wir wollten nicht einfach eine schnelle Mark verdienen, sondern die Welt
verändern. Wir versuchten, eine neue, aufregende Technologie zu realisieren
und gleichzeitig diese Technologie dem einfachen Mann zugänglich zu
machen.«
Der Maßstab für »den einfachen Mann«
war R.J.s Bruder Ron. »Wir benutzten immer Ron, der intelligent und
technologiebewußt, aber in Sachen Computer damals total unwissend war,
als Prüfstein: Wird das Ron gefallen? Wird Ron das verstehen können?«
Da es noch keine fertigen Chips gab, wurde alles mit handelsüblichen
Bausteinen auf einfachen Platinen und mit Programmen auf dem SAGE Computer
(Codewort: »Zorro«) emuliert. Natürlich wurde viel herumexperimentiert,
wobei manches Experiment zunächst verworfen aber nicht von den Platinen
entfernt wurde. So kamen die Amigabesitzer später in den Genuß
zweier Darstellungsmodi, die eigentlich nicht vorgesehen waren (und sogar
auf Befehl von Commodore hätten entfernt werden müssen) - Halfbrite
und HAM.
Bis zur letzten Minute vor der ersten Vorführung des
Lorraine auf der CES (Heimelektronikmesse) im Januar 1984 wurden neue Fähigkeiten
eingebaut. Dale Luck war auf eine Methode gestoßen, mit Hilfe des Blitters
Linien ganz schnell zu zeichnen. Bob Pariseau versuchte Dave Needle dazu
zu bringen die hierfür erforderliche Verdrahtung vorzunehmen. Dave erzählt:
»Bob faßte mich am Arm und wollte nicht loslassen. Da sprang Mitchie
ihn an! Dieser Hund (er gehörte Jay Miner), den ich nie gemocht hatte,
griff ihn einfach an und rettete mich. Da konnte ich nicht mehr nein sagen.«
Diese Haßliebe zwischen Dave und Mitchie hindert Dave
aber nicht daran, zu behaupten, Mitchie sei der echte »Vater des Amigas«.
»Ich teilte mit Jay das Büro und habe alles mit eigenen Augen beobachtet:
Nachdem Jay eine neue Schaltung skizziert hatte, zeigte er diese Mitchie.
Knurrte der Hund, wanderte der Entwurf umgehend in den Papierkorb. Hechelte
er oder wedelte er mit dem Schwanz, war der Entwurf akzeptiert. Eine einzige
Zeitschrift hat das alles richtig berichtet: Da war ein Foto von Jay mit
Mitchie auf dem Arm. Unten rechts bei Mitchie stand geschrieben 'Vater des
Amiga' und oben links stand 'Jay Miner'.«
Es waren harte Zeiten. Lange Arbeitstage, immer knappe Finanzmittel.
Es war keineswegs unüblich, die Nacht durchzuarbeiten. Dale Luck entwickelte
sich zum Meister des Nickerchens. Laut R.J. Mical trug er stets ein Kissen
bei sich. Wann immer er wieder Code zum Kompilieren hatte, tippte er die
erforderlichen Befehle ein, gefolgt von »Beep« (eine kleine Routine,
die dem Computer eben ein Biep entlockte). Dann legte er den Kopf auf sein
Kissen und schlief bis er vom Biepen geweckt wurde. Diese Gewohnheit führte
zum Spitznamen »Joe Pillow«. Eine andere beliebte Methode wachzubleiben
bestand darin, wie ein Berserker zu tanzen, daher der Spitzname »Dancing
Fools«.
Januar 1984
Auf der CES wird Lorraine hinter verschlossenen Türen
potentiellen Finanzgebern vorgeführt. Zu den namhaften Firmen, die dazu
eingeladen wurden, sollen gehört haben: Sony, Hewlett Packard, Philips
und auch Apple.
Noch bestand die Maschine aus Experimentierplatinen, und
die waren gegen statische Aufladung sehr empfindlich. In der firmeneigenen
Softwarehöhle, der 10 x 6 Meter messende Raum, in dem herumexperimentiert
wurde, mußten die Entwickler zeitweilig barfuß gehen, um Aufladungen
zu vermeiden. Auf einer Messe wie der CES war das kaum möglich, also
knallten die Chips häufig durch. Da der Fehler immer bei einer bestimmtem
Chip-Gruppe auftrat, war es eine Kleinigkeit, ihn zu beheben und die Geschwindigkeit,
mit der das geschah, beeindruckte manchen Besucher.
R.J. erinnert sich an die häufigste Reaktion dieser
Besucher, als ihnen die Fähigkeiten des neuen Computers vorgeführt
wurden: »Sie sagten meistens: Entschuldigen Sie bitte mein Französisch,
'Oh shit!' (Ursache solcher unflätigen Äußerungen war das
berühmte BOING!-Demo mit dem springenden und rotierenden rotweißkarierten
Ball und dem satten Stereosound). So was hatten sie noch nie gesehen.«
Kein Wunder, denn an diesem Demo hatten R.J. und Dale noch
nachts in der geschlossenen Messehalle gefeilt. Lange suchten sie den richtigen
Aufprallsound, bis es Bob Pariseau und Stan Shepard in den Kopf kam, den
Hall eines geschlagenen Garagentors aus Aluminium innerhalb der Garage aufzunehmen.
Seitdem gilt der springende karierte Ball unter den Entwicklern als inoffizielles
Amiga-Markenzeichen (Commodore wählte statt dessen das mehrfarbige »Häkchen«).
Das Interesse am neuen Computer war groß, die erhoffte
finanzielle Unterstützung aber kaum vorhanden. Mit jedem Monat wurde
die Finanzkrise immer größer. Jay Miner nahm eine Hypothek auf
sein Haus auf; jeder, der dazu in der Lage war, tat gleiches. Jays ehemaliger
Arbeitgeber Atari kam mit einem »verlorenen Darlehen« in Höhe
von $500.000 zu Hilfe: Die Rückzahlung sollte mit den von Atari zu entrichtenden
Lizenzgebühren für die Verwendung der Sonderchips verrechnet werden.
Später soll Commodore mit einem kleineren Darlehen für Lohnkosten
auch ausgeholfen haben. Aber es wurde immer brenzliger, und schließlich
mußte an den Verkauf der Firma gedacht werden.
Im Herbst 1984 war es soweit. Als Kaufinteressent tauchte
Jack Tramiel auf, der Gründer von Commodore Business Machines. Anfang
des Jahres war er nach einem lange schwelenden Streit mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden
Irving Gould als Chef seiner eigenhändig aufgebauten Firma gefeuert
worden. Nach Rache lechzend, wie es die amerikanische Computerpresse damals
schilderte, kaufte er die marode ehemalige Konkurrenzfirma Atari auf und
suchte nach Wegen, Commodore eins auszuwischen.
Die Schwierigkeiten bei Amiga Inc. eröffneten ihm einen
solchen Weg. Das Atari-Darlehen war vor seinem Firmeneintritt erfolgt, aber
er wußte davon. Und er wußte auch, daß er nur bis zum Fälligkeitsdatum
des Darlehens warten mußte, um die Firma einfach übernehmen zu
können. Also hat er die Übernahmeverhandlungen als böses Katz-und-Maus-Spiel
betrieben. David Morse wollte 2 Dollar pro Anteil haben: Tramiel bot 1 Dollar.
Morse ging auf 1,75 Dollar runter: statt sein Angebot zu erhöhen, ging
Tramiel runter! Bei jedem neuen Angebot dasselbe. Die Amiga-Mannschaft war
empört! Was waren das für Verhandlungsmethoden? Nur wenige Tage
vor dem endgültigen Aus erschien die Rettung in Gestalt eines Angebots
von Commodore.
David Morse flog zur Ostküste, um mit Commodore zu
verhandeln. Drei Tage ging es laut R.J. hin und her, bis Commodore ein letztes
Angebot machte: 4 Dollar pro Anteil. David Morse nahm Rücksprache mit
Los Gatos und alle waren dafür, das Angebot anzunehmen. Sie hatten zwar
einiges mehr erhofft, aber sie wollten auf keinen Fall, daß ihre Arbeit
von Tramiel in Gewinn umgemünzt werden sollte. Morse sagte den Commodorevertretern
mit todernster Miene dennoch: »Meine Leute wollen mindestens 4,25 Dollar.«
Auf Drängen von Marshall Smith erklärte sich Irving Gould schließlich
mit dieser Forderung einverstanden! Mit einem Scheck über die Darlehenssumme
flog Morse sofort zurück und befreite die Firma von dem Tramielschreck.
Das, was allen bei Amiga Inc. gefiel, war die Tatsache,
daß Commodore - anders als Tramiel - nicht nur die Technologie, sondern
auch die Leute und deren »Mannschaftsgeist« übernehmen wollte.
Diesen »team spirit« erläuterte Caryn Havis-Mical: »Wir
waren wie eine Familie. Jeder hat den anderen geholfen, weil wir es nicht
zulassen konnten, daß jemand Mißerfolg hatte. Das hätte
für alle zum Mißerfolg geführt. Wir waren schließlich
alle Teilhaber an der Firma.«
Und als solche haben sie ihre Amiga-Inc.-Aktien gegen Commodore
Aktien tauschen können. Einige machten diese sofort zu Bargeld, um die
aufgenommenen Verpflichtungen zu begleichen. Andere, wie Dale Luck, behielten
sie, um die Chance zu erhalten, auf Teilhaberversammlungen ihre Meinung dem
Aufsichtsrat mitteilen zu können.
Die Übernahme kostete Commodore insgesamt 27,1 Millionen
Dollar. Dann wurde schnell auch die Aufrüstung der Entwickler vorgenommen:
Die alten, langsamen SAGE-Minicomputer wurden durch SUNs ersetzt. Jetzt galt
es, einen marktreifen Computer möglichst bald fertigzustellen, denn
Jack Tramiel hatte zum Angriff geblasen. Er leitete gegen die neue Firma
Commodore-Amiga einen Prozeß ein, in der Hoffnung, doch noch an die
wunderbaren Sonderchips zu kommen und wies seinen Hauptdesigner Shiraz Shivji,
der auch den C 64 entworfen hatte, an, einen Konkurrenzcomputer zum Amiga
zu entwickeln. Commodore erwiderte mit einer Gegenklage: Tramiel hätte
führende Entwickler und Ingenieure bei Commodore abgeworben. Damit war
der große Atari-Amiga-Kampf eingeleitet.
Durch die Übernahmeverhandlungen und die Umstellung
wurde die Entwicklung verzögert. Es war schon zu spät, um den Computer
für das lukrative Weihnachtsgeschäft 1984 fertigzustellen. Und
Commodore hatte auch Änderungswünsche.
Januar 1985
CES. Ohne Amiga, aber mit Atari ST! Das Tramiel-Imperium
schlug zurück!
In Los Gatos gab es größere Probleme mit dem
Betriebssystem. Wieder tauchte ein rettender Engel auf, diesmal von der anderen
Seite des Atlantiks. Wie es auch immer dazu gekommen sein mag, die englische
Firma MetaComCo war plötzlich an der Entwicklung beteiligt. Deren Vertreter
Dr.Tim King flog nach Kalifornien und bog alles zurecht. Jetzt hatte der
Computer ein anglo-amerikanisches Betriebssystem: Aus Carl Sassenraths »CAOS«
übernahm King die Routinen für Exec, Intuition, Blitter und Copper,
aus dem von seiner Firma stammenden Betriebssystem Tripos übernahm er
die Datenverwaltungsroutinen, die Textein- und Ausgaberoutinen, die Druckersteuerung
und die Routinen des ständig mitlaufenden Fehlerüberwachungsprogramms
WACK.
Sein Hauptverdienst war aber wohl das CLI (Command Line
Interface). Darauf hatte er bestanden, obwohl der Computer eigentlich nur
eine Macintosh-ähnliche Benutzeroberfläche erhalten sollte. Dadurch
war der Amiga der erste Computer, der serienmäßig zwei Benutzeroberflächen
hatte. Der Legende nach soll diese Arbeit nur drei Wochen gedauert haben.
Aber die Zahl »drei Wochen« taucht häufiger
in der Entwicklungsgeschichte auf: so lange soll R.J. Mical jeweils an Intuition
sowie an »GrafiCraft« gearbeitet haben. (»Er machte nur einmal
die Tür seines Büros auf, nach etwa anderthalb Wochen, um mich
zu fragen, wie die Messageports funktionieren. Nach weiteren anderthalb Wochen
war Intuition fertig.« - Dale Luck).
Wie auch immer - das Betriebssystem funktionierte. Inzwischen
waren die Sonderchips-Ungetüme echte Chips und man konnte einige Prototypgeräte
(Black Box Amigas) bauen, um damit auch interessierten Softwarefirmen die
Arbeit an vorgesehenen Programmen zu erleichtern.
Eine solche Firma, »A Squared«, war kurz nach der
Übernahme erschienen und hatte ein neuartiges Zusatzgerät ins Gespräch
gebracht: einen Echtzeit-Videodigitalisierer. Von Anfang an war der Amiga
für verschiedene Videosignale ausgelegt worden: Als Spielekonsole sollte
das Gerät an einem Fernseher laufen können, als Computer an einem
Monitor. Alle Versuche, die erforderlichen Signale zu erzeugen, waren im
Chipdesign gelandet und schon in einem frühen Stadium waren die experimentellen
Versionen des Computers mit mehreren Bildschirmen verbunden.
Sheryl Knowles erinnert sich: »Ich hatte drei Bildschirme
an geschlossen - einen Fernseher, einen Farbmonitor und das Zweifarbending
von IBM. Als wir die Fernsehsignale testen wollten, fuhr Sam (Dicker) zum
Elektrohändler und sagte 'Wir brauchen zehn Fernseher mit dem schlimmstmöglichen
Bild.' Der Händler war verblüfft und versuchte ständig, uns
die teuersten und neuesten anzudrehen. Aber er hat es schließlich kapiert.«
Sam fügt hinzu: »So sind wir auf die Farben für die Workbench
gekommen. Das waren die Farben, die im NTSC-Signal beim Wechsel von Vordergrund-
zu Hintergrundfarbe nicht ineinander ausfransten.«
Diese Signalvielfalt sowie die Einstellung der Bildfrequenz
auf NTSC-Norm sollte den Amiga zum ersten Videobearbeitungsheimcomputer machen.
Jetzt konnte er auch die vorgesehenen 4096 Farben darstellen: Anfangs waren
nur etwa 320 Farbtöne zu erzeugen, aber die Hardwareleute bei Commodore
hatten die Idee, die Signalschaltungen der ursprünglichen Chips auf
einen eigenen Chip auszulagern und so wurde das Problem behoben. Mit dem
Soundchip (vier Kanäle mit Stereoton) war die Hardware fertig. Der Amiga
konnte Premiere feiern.
Es ist der 23.Juli 1985. Die Firmenleitung von Commodore
beschloß vorher, den Amiga nicht im Rahmen einer Heimelektronikmesse,
sondern in einer eigenen Veranstaltung der Welt vorzustellen: im Licoln Center
in New York. Eifrig wurde an der Fertigstellung der ersten Serienmaschinen
gearbeitet. Der Legende nach sollen die Mitglieder der Los-Gatos-Gruppe sich
große Sorgen um den Transport der Geräte von Kalifornien nach
New York gemacht haben; es wird erzählt, sie hätten für ihre
Lieblinge eigene Sitzplätze im Flugzeug gebucht, um ja zu verhindern,
daß im Gepäckraum etwas beschädigt wird!
Gail Wellington, damals zuständig für den Kontakt
zu den Softwarefirmen, erinnert sich an diesen Tag: »Ich war auch an
den Vorbereitungen für die Premiere beteiligt: Ich hatte bei der Multitasking-Demo
(Fred The Baker and Rose The Florist) mitgewirkt und auch das Computerballet
produziert - darauf bin ich sehr stolz. Die eigentliche Animation machte
die Firma Island Graphics. Als ich die fertige Sequenz mit der Tänzerin
auf der Bühne sah, habe ich fast geheult, und mir kommen immer noch
die Tränen, wenn ich das Video anschaue.
Eigentlich war ich aber für die drei Vorführgeräte
zuständig, die im Sperrsitzbereich aufgebaut waren. Jedes war mit einem
Genlock-Prototyp bestückt und durch diese Genlocks war alles miteinander
verbunden. Zu dem Zeitpunkt gab es nur fünf Genlocks überhaupt,
und wir hatten sie alle da - zwei als Ersatz. Nach der Generalprobe am Vorabend
der Premiere habe ich noch bis 1.00 Uhr morgens mit einigen Technikern an
der Feinabstimmung der Farben und Bilder auf den großen Projektionswänden
gearbeitet. Als wir am Vormittag eine letzte Probe machten, waren zwei Genlocks
kaputt! Da mußten wir mit Lötkolben und Meßgeräten
ran, um alles wieder flottzumachen. Dann habe ich jemand ins Hotel geschickt,
um meine Galakleidung zu holen - vor der Veranstaltung wollte ich die Geräte
keine Sekunde aus den Augen lassen!
Mein Job war aber verhältnismäßig einfach;
ich brauchte mich ja nicht um Andy Warhol zu kümmern.« Ja, Commodore
hatte tatsächlich den großen Meister für diese Veranstaltung
verpflichtet, und dazu die Sängerin Debbie Harry (Blondie). Während
ihres Auftritts mit Amiga-Begleitung wurde ihr Bild von Warhol in Echtzeit
bearbeitet und projiziert. Die Zeitschrift Personal Computer machte daraus
die Titelseite »Commodore's Everything Machine«.
Durch diese Demonstration wurden immer mehr Musiker auf
den Amiga aufmerksam und haben ihn auch benutzt, darunter B.B. King, Herbie
Hancock, Billy Idol, Todd Rungren und die Gruppe, die sich nach dem springenden
Ball benannte, (Oingo) Boingo. Auch bei Prince-Videoclips wurde später
ein Amiga im Hintergrund gesichtet.
Andy Warhol hat nicht einfach mitgewirkt; er hat den Amiga
selbst bis zu seinem Tod 1987 benutzt, und sagte dazu: »Das, was mir
am meisten gefällt, wenn ich am Amiga arbeite, ist die Ähnlichkeit
der Computerwerke mit meinem sonstigen Schaffen.«
Der Knalleffekt war aber nicht Musik oder Grafik zu verdanken,
sondern einem kleinen Programm, das aus dem Amiga einen IBM-XT machte: »Transformer«.
Der Autor Bob Pariseau (Vice President Software) scherzte, während die
Zuschauer auf das Einschaltbild von Lotus 1-2-3 warteten: »Das Laden
dauert eben genauso lange wie auf einem echten IBM.« Aber dann war das
Bild da - und der Amiga konnte wieder einen Eintrag im Guinnessbuch beantragen.
Die Reaktion der Computerpresse in Amerika, sofern sie nicht
den Interessen der beiden Großen verpflichtet war, war ziemlich einhellig:
Bewunderung und Begeisterung. »Wenn Sie geschichtlich interessiert sind,
werden Sie sich dieses Datum merken wollen; mit diesem Tag gehörten
die IBM PCs, Apple Macs und Dutzende geringerer Silikonwunder des Jahrzehnts
der Vergangenheit an.« - Benn Dunnington, INFO Magazine, Sept/Okt 1985.
Stellvertretend für viele, weitere Berichte, sei der
von Tom Benford in der Zeitschrift Ahoy erwähnt: »Obwohl ich durch
die Teilnahme an der Einführung mehrerer revolutionärer Computertypen
ziemlich abgestumpft bin, empfand ich bei der Amiga-Vorführung echte
Aufregung. Je mehr ich zu sehen bekam, umso mehr kribbelte es in mir. Je
mehr man uns vorführte, umso mehr gefiel er uns. In puncto Musik und
Schallsynthese ist der Amiga eine Klasse für sich. Eine weitere Innovation
war die Verwendung einer Kickstart-Diskette. Eine beeindruckende Vorführung
der Multitaskingfähigkeit bestand darin, gleichzeitig Textverarbeitung,
Datensortierung, Animation, Geschäftsgrafik und Tabellenkalkulation
in eigenen Fenstern laufen zu lassen.
Der Amiga hat ohne Zweifel bei den Personal Computern Neuland
eröffnet. Die Zusatzgeräte bieten die Möglichkeit, die Ketten
zu sprengen, die Computer und deren Benutzer bisher in der Kreativität
behindert haben. Auf den Amiga hat die Welt - und auch ich - lange gewartet.«
Warten mußten Kaufinteressenten auch noch - bis Anfang
September, weil Commodore noch Software für den neuen Computer brauchte.
Es waren zwar Programme für die Premiere vorhanden, aber einige waren
noch nicht richtig marktreif. Abweichend von den ursprünglichen Plänen
der Amiga Inc., das Gerät mit Software als Komplettpaket auszuliefern,
legte Commodore den ersten Geräten lediglich das Textverarbeitungsprogramm
»Text Craft«, das Spiel »Mindwalker«, sowie einige Demos
zu Grafik und Musik bei. Erst fünf Jahre später in der britischen
Niederlassung sollte das »Paketprinzip« - mit durchschlagendem
Erfolg: 2.000.000 Geräte in weniger als drei Jahren verkauft - zur vollen Anwendung kommen.
Etliche in Auftrag gegebene Programme fielen der Reihe nach
aus dem Commodore-Programm heraus, entweder weil die Entwicklerfirmen nur
mangelhafte Unterstützung bekamen oder weil Programme solange in Commodores
»Qualitätskontrolle« steckenblieben, daß die Vermarktungsverträge
verfielen - das Programm verschwand dann auf Nimmerwiedersehen oder wurde,
im Glücksfall, von der ursprünglichen oder einer anderen Firma
zur Marktreife gebracht. Ein Beispiel ist »MusiCraft«, das drei
Jahre später als »Aegis Sonix« erschien.
Ähnliches passierte auch mit dem allerersten Videodigitizer
»LIVE!«. Die Premiere hatte viel Interesse erweckt, und die Prototypen
wurden auf vielen Messen vorgeführt. Dann kam ein anderes Produkt heraus,
»DigiView«, das auch noch HAM-Bilder verarbeiten konnte. Also mußte
bei LIVE! auch HAM rein. Der zuständige Ingenieur aber verließ
Commodore und es dauerte, bis jemand anders beauftragt wurde. Schließlich
übernahm »A Squared« das Projekt wieder, machte das Gerät
marktfertig und fing mit dem Verkauf an - aber Commodore hatte die Produktion
des Amiga 1000 schon eingestellt und brachte gerade den Amiga 500 und 2000
heraus! Also mußte LIVE! wieder überarbeitet werden. Der Firma
A Squared wurden wegen der vielen Verzögerungen nach einem Gerichtsurteil
1989 etwa 900.000 US$ Schadensersatz zugesprochen. Eine verfehlte Vermarktungspolitik
sollte die Amiga Geschichte vom Anfang bis zum (vorläufigen) Ende begleiten.
November 1985
Im November 1985 wurden die Unterlagen zu den Erweiterungskarten
für den Amiga (Zorro-I-Format) veröffentlicht und gleichzeitig
fing die Gerüchteküche zu kochen an. Neue Modelle sollten sich
in der Entwicklung befinden: Da war die Rede von Amiga II Amiga IV und Amiga
V (seltsamerweise war nie von Amiga III die Rede!). Die Bezeichnung »Ranger«
tauchte auf: Das sollte ein Modell mit 68020-CPU, 400 Zeilen ohne Interlace
und eingebauter Festplatte sein. Ein Dementi ließ etwas auf sich warten,
kam aber doch: Ranger sei lediglich ein Sammelbegriff für die gesamte
Amiga Palette, die für die kommenden Jahre vorgesehen sei. Die ersten
Mitglieder der Los-Gatos-Gruppe, darunter R.J. Mical und Carl Sassenrath,
verließen um diese Zeit Commodore. Weitere Gerüchte um neue Modelle
wurden im Januar 1986 laut, als Commodore die Unterlagen für Zorro-II
herausgab.
Am Betriebssystem wurde weiter gefeilt, es kam die Version
1.1. Die vermutlich durch die Verwendung verschiedener C-Compiler entstandenen
Macken von 1.0 (Falsche Registerinhalte bei Systemroutinen!) wurden durch
Neukompilierung unter Lattice (SAS) C weitgehend behoben, allerdings konnten
alle Druckertreiber bis zum Erscheinen von Manx C 4.0 ausschließlich
mit Lattice kompiliert werden! Mit dem verbesserten Betriebssystem wurde
auch Revision 06 des Denise-Chips verfügbar und damit auch der Halfbrite-Modus.
Februar 1986
Februar 1986. Die Umstellung auf europäische Bedürfnisse
(PAL hat eine andere Bildschirmfrequenz als NTSC) war abgeschlossen und man
konnte nun auch auf dieser Seite des großen Teichs Premiere feiern.
Die europäische Premiere fand im März 1986 in der alten Oper in
Frankfurt/Main statt. Dazu Gail Wellington: »Es sollte eine ziemlich
feierliche Angelegenheit werden. Wir glaubten nicht, daß es sinnvoll
wäre, die New Yorker Veranstaltung einfach zu wiederholen, also entwickelten
wir einen neuen Rahmen. Wir wollten Schauspieler benutzen, die so tun sollten,
als ob sie was von Computern verstünden, aber bei der Generalprobe waren
sie so schlecht, daß wir sie entlassen haben. Dann holten wir unsere
Verkaufsleiterin und machten mit ihr die Veranstaltung. Sie hat es hervorragend
gemacht, auch ohne Probe.«
Interessantes verrät Gail auch über Verkaufsverhandlungen
in der damaligen Sowjetunion: »Etwa um dieselbe Zeit [Europapremiere]
war ich bei der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften und der Akademie
für Wissenschaft und Technologie. Wir haben dort den Amiga auch vorgeführt.
Commodore hätte Amigas in die Sowjetunion exportieren dürfen, aber
wegen der COCOM-Bestimmungen [Beschränkungen auf Technologieexport]
hätten wir nur Einzellizenzen vergeben können, d.h. für jedes
Gerät hätten wir eine Einzelgenehmigung von der amerikanischen
Regierung einholen müssen.«
Die europäisierten Amigas der ersten Generation hatten
zwar die höhere vertikale Auflösung von 512 (statt 400) Zeilen,
aber die amerikanische QWERTY-Tastatur; später kam die QWERTZ-Tastatur,
die aber etwas anders getaktet war. Das wäre eigentlich keinem aufgefallen
wenn die Zusatz-Uhr »TimeSaver« nicht gestreikt hätte!
Im März wurde auf der Messe »World of Commodore«
in den USA die Version 1.2 des Betriebssystems vorgestellt; es sollte aber
bis zum Jahresende dauern, bis es verfügbar wurde.
Im April tauchten Gerüchte um eine hardwaremäßige
IBM Emulation auf. Die sollte »Transformer« ablösen, weil
er sich als zu langsam und grafikunfähig erwiesen hatte. Hier hatte
Commodore wieder geschlafen. In der Entwicklung befand sich die »Trump
Card«, eine Transformer-Beschleunigungskarte für den Erweiterungsport
des Amiga, außerdem eine weitere Softwareemulation mit Grafikfähigkeit
(PC/AT - angeblich später als »PC Ditto« für den Atari
ST vermarktet). Diese wurden fortan beide nicht mehr von Commodore erwähnt.
Dazu Douglas Wyman von Simile Research: »Der Grund lag darin, daß
zu dem Zeitpunkt diese Teile des [IBM-]Systems noch nicht vollständig
übertragen worden waren. Wir hatten bereits die Pläne für
eine Beschleunigungs- und Grafikplatine, aber Commodore hat nach der Ankündigung
kein Interesse mehr gezeigt.«
Im selben Monat wurde die Übertragung von UNIX für
den Amiga IV gemeldet: Demnach sollte IV ein CAD-Arbeitsplatzcomputer sein,
mit einer 68020-CPU und einer Bildschirmauflösung von 1024 x 768 Punkten.
Auch von einem 16-Bit-D/A-Umwandler war die Rede (CD Qualität) und von
einem Amiga mit eingebauten Erweiterungsslots, wie Jay Miner, der Kopf des
Entwicklerteams, sich das ursprünglich vorgestellt hatte.
Mai 1986
Erst im Mai gab es konkrete Nachrichten: Die deutsche Niederlassung
in Braunschweig arbeite an einem Gerät zur hardwaremäßigen
IBM-Emulation, Bezeichnung »Sidecar« (Offensichtlich waren die
Leute Motorradfreaks). Dieses Gerät wurde dann auch tatsächlich
auf der ComDex-Messe gezeigt. Kaufen konnte man es aber erst viel, viel später
in den USA, weil es Probleme mit der Einhaltung der strengen amerikanischen
Abschirmungsnormen gab.
Die Programmierung der Verbindungsroutinen für die
Janus-Schnittstelle wurde letztendlich vom abtrünnigen R.J. Mical besorgt.
Von der deutschen Computerpresse anscheinend gänzlich unbemerkt - keine
Meldung keine Interviews - hielt er sich zwischenzeitlich in Braunschweig
auf. Die ursprünglichen Verbindungsroutinen haben ihn nicht besonders
beeindruckt: »Es handelte sich um eine IBM-Emulation in einem Amiga-Fenster.
Sie [Braunschweig] hatten sich nur um die Hardwareseite gekümmert, mit
der Software haben sie gemogelt, aber wie! Das Programm blockiert das Fenster
- es tat nur eins: nachschauen, ob sich in der Bildschirmdarstellung etwas
geändert hatte. Von Multitasking keine Spur! Nicht mal von den Systemroutinen
haben sie Gebrauch gemacht.«
R.J. übernahm »Zaphod« (seine Bezeichnung
für Janus). Der Fortschritt seiner Bemühungen wurde daran gemessen,
wie erfolgreich ein Programm wie Flight Simulator dargestellt werden konnte.
Der Grund laut R.J.: »Flight Simulator war für mich von Anfang
an die Meßlatte. Bruce Artwick, der Programmierer, ist ein guter Freund
von mir. Um seine Zauberei zu realisieren, benutzt er jeden erdenklichen
Trick und nutzt jede Eigenheit des Systems aus. Also, während der Entwicklung
der Schnittstellensoftware habe ich Flight Simulator immer wieder auf Erprobungsflüge
geschickt.«
Sidecar war eine kleine Sensation. Es hatte vorher Emulationen
gegeben, aber noch nie war es gelungen, auf einem Heimcomputer - wenn auch
der gehobenen Klasse - zwei verschiedene Betriebssysteme mit unterschiedlichen
Prozessoren gleichzeitig (im Multitaskingmodus) laufen zu lassen, und das
ohne Absturz oder erkennbare Verlangsamung der Ein-/Ausgabeoperationen. Wie
hieß damals der neue Werbespruch: »Only Amiga makes it possible«.
Hätte man das Gerät nicht vorgeführt, sondern nur angekündigt,
es wäre als Aprilscherz abgehakt worden.
Zum Sommer 1986 hin tauchten wieder Gerüchte um neue
Modelle auf; diesmal war von den typenbezeichnungen Amiga 2000 und 2500 die
Rede, angeblich mit neuen Grafikchips, die volle 2 MByte Videospeicher adressieren
sollten. Die Ursache dieses Gerüchts war die Aussage Jay Miners, der
kurz nach seinem Ausscheiden bei Commodore bestätigte, die Planung solcher
Chips abgeschlossen zu haben. Ausgeschieden war er zum Teil aus gesundheitlichen
Gründen - er mußte sich kurz darauf einer Nierentransplantation
unterziehen - und zum Teil aus Ärger über die Planung bei Commodore.
Jay dazu: »Commodore wollte den A1000 nicht weiter bauen; sie meinten,
er sei zu teuer. Anstatt aber die Produktionskosten zu senken, versuchten
sie, daraus ein Gerät mit eingebauter Tastatur, wie beim Atari, zu machen.
[Seltsamerweise wollte Atari damals sein Gerät Amiga-ähnlicher
machen, mit eingebautem Laufwerk und getrennter Tastatur.] Ich habe mich
sehr aufgeregt. Ich hätte binnen sechs Monaten den Amiga 1000 umgemodelt
haben können, und ich hätte auch auf die IBM-Kompatibilität
verzichtet, die die Einführung der neuen Geräte nur verzögert
hat.«
Aber Commodore hatte zu dieser Zeit auch Finanzprobleme.
Im Rahmen der Kostendämpfungsmaßnahmen wurden mehrere Mitglieder
der Amiga-Abteilung entlassen. Davon wurde abgelenkt durch neue Meldungen
eines »Baby-Amiga«, der mal als »B 52«, mal als »Amiga
500« bezeichnet wurde. Auch soll an Version 1.2 »herumgefummelt«
worden sein: Angeblich hätten die Autoren von zwei »wichtigen Amiga-Programmen«
eigene Flickroutinen gegen die Macken des älteren Betriebssystems geschrieben
und nun funktionerten diese Programme nicht mehr. Also sollen die alten Macken
deshalb wieder eingebaut worden sein!
Ansonsten verlief 1986 ohne besondere Vorkommnisse: AmigaOS
1.2 wurde freigegeben, die Los-Gatos-Gruppe schrumpfte unaufhörlich
weiter. Im Dezember schlug der Amiga wieder zu, als in der Folge »The
Eternal Mind« die Fernsehserie »Amazing Stories« zwei Amigas
zum Einsatz brachte. Auch in der Serie »Max Headroom« wurde der
Computer eingesetzt.
In den letzten Jahren ist der Amiga bei vielen Filmen und
Fernsehserien nicht wegzudenken gewesen: »Robo Jr« gewann vier
Emmies, »Panama Deception« einen Dokumentarfilm-Oskar; »Jurassic
Park«, »Honey I blew up the kid«, »Death becomes her«
und »The dark half« benutzten Amiga-Effekte. Im Fernsehen kam der
preiswerte Amiga u.a. zum Einsatz bei Serien wie »seaQuest DSV«,
»Babylon 5«, »Miami Vice«, »Robocop«, »Viper«
und »Unsolved Mysteries«.
Auf der CES 1987 wurde dann das Geheimnis um die neuen Amigas
gelüftet: Amiga 500 und 2000 hießen die neuen, und dem alten Gerät
wurde nachträglich die Bezeichnung Amiga 1000 verpaßt. Während
der Amiga 500 als Low-End-Gerät für den Heimbenutzer gedacht war,
sollte der Amiga 2000 den Vorstoß in die von IBM beherrschte Bürocomputerwelt
einleiten, und war zu diesem Zweck mit IBM-kompatiblen Erweiterungsslots
versehen. Dazu gab es die XT-Brückenkarte. Zu diesem Konzept sagte R.
J. Mical: »Es handelt sich nicht um einen PC am Amiga, sondern um ein
neuartiges Gerät, das beide Prozessoren benuzt. Die PC-Seite ist nur
als weiterer Koprozessor in der Amiga-Welt anzusehen. Das ist eine völlig
neuartige Maschine, ein Zwitter. Das könnte zu einer neuen Denkweise
in Bezug auf Computer werden - eine Multiprozessorarchitektur. Dahin führt
der Weg, so sieht die Zukunft aus.«
Aber diese Zukunftsvision hat in Amerika die Zukunft des
Amigas fast zerstört, denn die Zwangspause in der Produktverfügbarkeit
hat den Markt erheblich beeinträchtigt. Dazu Jay Miner: »Die Firma
war ein Jahr lang ohne Produkt. Da ist sehr viel Schwung verlorengegangen.
Es gab kaum neue Software, und IBM und Macintosh konnten riesige Umsätze
schaffen.« Die ersten Amiga-Entwickler hatten nämlich schon begonnen,
sich nach den anderen Computertypen umzusehen.
Zwischen der CeBIT 1987 und 1990 sollte es so weitergehen,
ohne nennenswerte Hardware-Neuigkeiten und mit stagnierendem Umsatz. Erst
im Lauf von 1988 war die erste magische Zahl - eine Million verkaufte Geräte
- erreicht. Die zweite Millionengrenze wurde anderthalb Jahre später
erreicht, vorwiegend in der Bundesrepublik. Dann gab es erst den Aufschwung
in Großbritannien: 1 Million Einheiten pro Jahr. Aber für Commodore
kam das eigentlich zu spät. Und wir befassen uns auch erst später
näher damit.
Die meiste Aktivität in dieser Zeit fand in der Gerüchteküche
statt, nachdem die Amiga-Abteilung in Los Gatos im Frühjahr 1987 endgültig
geschlossen wurde. Commodore hätte gern bestimmte Leute behalten, aber
sie waren nicht bereit, zur Ostküste umzusiedeln, wie Dale Luck erklärt:
»Commodore wollte, daß wir alle nach Pennsylvanien umziehen, aber
das wollten wir nicht, denn Kalifornien hat vieles zu bieten, was es in West
Chester nicht gibt. Hier ist immer was los, man sitzt an der Quelle bei den
neuen Entwicklungen in Hardware, Software und ICs und man darf die vielen
persönlichen Kontakte zu anderen Entwicklern nicht außer Acht
lassen - die trifft man an fast jeder Straßenecke. Also wurden wir
zu 'Beratern' - und erhielten nach Bedarf von Commodore befristete Aufträge.
Durch die Schließung von Los Gatos wurde die Weiterentwicklung von
Intuition um acht bis neun Monate verzögert, und es ging viel Schwung
verloren.«
Wie gesagt, nur in der Gerüchteküche ging der
Schwung nie verloren, und das hat die Überlebenschancen des Amiga erheblich
verbessert. Der neue Agnus-Chip war im Gespräch: Adreßraum 2 MByte,
8 Bitebenen für 256 Farben. Da war die Transputerkarte mit bis zu 16-facher
Kaskadierung und dem vom AmigaDOS-Mann Dr.Tim King entwickelten Betriebssystem
Helios. Es gebe eine 68020-Karte mit 32-Bit-RAM-Speicher. Das Betriebssystem
sollte unter Manx C neu kompiliert worden sein. Es gebe auch einen Amiga
3000 mit 68030, SuperAgnus und SuperDenise mit besserer Auflösung und
mehr Farben. Das Supergerücht des Jahres lieferte Winfried Hoffmann,
Geschäftsführer von Commodore Deutschland; in einem Interview mit
der Zeitschrift Happy Computer (Ausgabe 8/87) sagte er: »Wir warten
auf den Amiga 1000 in der neuen Version, die in nächster Zeit kommen
wird. Vom Design her wird der neue Amiga 1000 so aussehen wie der
jetzige [der nicht mehr gebaut wurde!]. Nur im Innern wird eine neue Karte
auf der Basis des Amiga 500 eingebaut sein (mit dem Betriebssystem im ROM).«
März 1988
Und was kam dann zur CeBIT 1988? Der Amiga 2500 - ein Modell
ohne erkennbaren Sinn! Dahinter versteckte sich lediglich ein stinknormaler
Amiga 2000 mit verschiedenen Zusatzkarten, so z.B. der 2500 AT mit 80286-Karte,
der 2500 UX mit zusätzlichem 68020, 100-MByte Festplatte und 32-Bit-Speichererweiterung.
Es kann sich nur um Vermarktungskosmetik für den nordamerikanischen
Markt gehandelt haben, denn solche Geräte waren in Europa nicht gefragt.
Der Produktschwerpunkt schien sich vom Computer selbst auf Zusatzkarten und
Peripheriegeräte verlagert zu haben.
Die Werbung richtete sich ebenfalls mehr an amerikanische
als europäische Verbraucher und war gekennzeichnet durch eine Mischung
aus guten Ansätzen und schlechter Ausführung. In der Bundesrepublik
glänzte die Werbeabteilung mit der unsäglichen »Kiss me Amiga«-Kampagne.
In den USA gab es die Werbekassette »Amiga 500 Test Flight« und
das Promotionlied »Only Amiga...« sowie eine Reihe von Fernsehspots
auf dem Musiksender MTV. Alle acht Spots wurden unter Verwendung des Amigas
produziert - diese Tatsache wurde aber mit keiner Silbe erwähnt! Zwecks
Belebung des Weihnachtsgeschäfts gab es A500-Sonderangebote, wahlweise
mit Videorecorder oder MIDI-Keyboard und passender Software. An sich keine
schlechte Idee, aber beim Videorecorderangebot fehlte das Verbindungskabel
zum Videorecorder...
Die einzige Neuigkeit des Jahres war die Festplatte zum
Amiga 500 - die A590. Angekündigt wurde die Grafikkarte der Lowell University
mit einer Auflösung von einer Million Pixeln und vielen, vielen Farben,
sowie ein »Professional Video Adapter«, eine aus drei Karten bestehende
Kombination aus Genlock, Videodigitizer und Framegrabber.
Im Dezember 1988 gab es Neues zu berichten, das mehr als
ein Gerücht war. Toronto: »World-Of-Commodore-Show« und 30.
Firmenjubiläum von Commodore. Vorn auf dem Firmenstand zu bewundern:
zwei Netzkarten; hinten in der dunkelsten Ecke ein Amiga1000-ähnliches
Gerät, das nur im Flüsterton erwähnt wird. Es fallen Begriffe
wie: mehr Farben, höhere Auflösung, SCSI Port, Mathematik-Koprozessor,
HD-Laufwerk und schließlich die Bezeichnung »Amiga 3000«.
So groß war die Erwartung dieses neuen Modells, daß
die Amiga Usergroup »San Diego« sofort zugriff, als sich zu ihrem
Apriltreffen die Gelegenheit bot, angeblich den neuen Amiga zu sehen. Beim
Einschalten des unübersehbar mit »Amiga 3000« gekennzeichneten
Geräts erschien eine im Raytracingverfahren dargestellte rotierende
Hand statt des bekannten Standbildes; die Workbench war in einer interlacefreien
Darstellung zu sehen und es wimmelte nur so von Farben. Andere »Neuigkeiten«
wurden mal angesprochen, mal gezeigt. Noch vor Ende des Clubtreffens gingen
die ersten Meldungen in alle Welt. Im Netz wurde eifrig debattiert und von
Commodore dementiert. Da wurde der Zusammenhang mit dem Datum deutlich und
die Sache war klar: Das von der Usergroup vorgefuehrte »neue« Modell
war tatsächlich in der Amiga-Reihe ein Prototyp - und zwar ein neuer
Macintosh II im Amiga2000-Gehäuse!
Als kurze Zeit später die ersten Alpha-Versionen von
Version 1.4 des Amiga-Betriebssystems auftauchten, war aber auch ein animiertes
Einschaltbild zu sehen. Waren die Spaßmacher nun Hellseher, oder war
das ein schlau eingefädelter Marktforschungstrick? Die Idee kam jedenfalls
nicht von Commodores Marketingabteilung, denn die war eher damit beschäftigt,
Interesse für den geplanten »C 65« zu wecken, nachdem die
bisherigen Nachfolgermodelle des erfolgreichen 8-Bit-Computers sich als Flops
erwiesen hatten. Auf der ganzen Welt mit Ausnahme der USA war der Amiga längst
ohne große Werbekampagne zum Begriff geworden. Was Commodore nicht
schaffte, erreichte die Amiga-Gemeinde selbst: durch Mundpropaganda. Das
wiederum mag auch für die Firma ein Grund gewesen sein, am Werbeetat
zu sparen.
Und jetzt machten »die von der obersten Etage«
den nächsten gravierenden Fehler. Sie setzten alles daran, die bisherigen
IBM-Kunden zum Amiga zu bekehren, indem der Befehl erging, die für den
europäischen Markt produzierten PC-Clones auch in den USA zu vermarkten
und namhafte IBM-Softwareproduzenten wie WordPerfect für die Umsetzung
ihrer Produkte zu gewinnen. Mit dieser Kursänderung offenbarten die
Herren an der Spitze eindeutig ihre Unkennntis der Marktsituation und der
Stellung ihrer Firma in den Augen der (amerikanischen) Verbraucher: In Europa
genoß sie aus den Zeiten der PET-Reihe einen Ruf als Lieferant von
Bürocomputern und lag lange Zeit vor IBM; in den USA dagegen war das
Image der Spielcomputerfirma dominierend und die Versuche, dieses Image zu
verlieren, sollten in den kommenden Jahren die Weichen für das spätere
Scheitern stellen.
Dann kam WordPerfect mit dem gleichnamigen Textverarbeitungsprogramm
in der Amiga-Version. Amerikanische Benutzer jubelten - wieso eigentlich?
Es gab bereits solche Programme im Dutzend für den Amiga, und die führenden
Amiga-Programme der damaligen Zeit lieferten alle WYSIWYG-Darstellung mit
Grafikeinbindung, was WP noch lange nicht konnte. Außerdem war das
Programm im Vergleich sündhaft teuer - mindestens doppelt so teuer wie
das neueste und teuerste Amiga-Programm. Der deutsche Markt brachte dieses
Experiment zum Scheitern. Die mittlerweile etwa 1,5 Millionen Amigabesitzer
sagten einhellig: »WordPerfect, für 800 Mark (Schüler-und-Studenten-Preis)?
Nein danke! Wir haben schon Besseres.«
Schuldige mußten her! Das war nichts Neues: Die Leitung
der amerikanischen Niederlassung wurde so oft ausgetauscht, daß man
unkte, das Chefbüro habe eine Drehtür! Einmal, so die Anekdote,
fand ein neuer Chef auf dem Schreibtisch drei Briefumschläge mit der
Aufschrift »Nur im Notfall öffnen« und den Zahlen 1, 2 und
3. Natürlich steckt die Firma in Schwierigkeiten, also öffnet er
Umschlag 1; da steht »Geben Sie Ihrem Vorgänger die Schuld.«
Es geht kurzfristig etwas besser, dann ist Umschlag 2 fällig: »Geben
Sie Ihren Vizepräsidenten die Schuld.« Es geht weiter bergab und
der verzweifelte Chef macht den letzten Umschlag auf: »Bereiten Sie
drei Umschläge vor...«
Unter den Topmanagern wurde also wieder fleißig gekehrt,
und dann tat Präsident Irving Gould ausnahmsweise etwas Sinnvolles:
Er holte als neuen Leiter der amerikanischen Filiale Harry Coppermann, der
nicht nur 20 Jahre im Dienste von IBM, sondern auch zwei Jahre bei Apple
als Vermarktungsexperte nachweisen konnte. Der neue Besen wurde schnell aktiv.
Knapp sechs Wochen nach seiner Ernennung erschien er auf der Entwicklerkonferenz
in San Francisco und trug seine Ziele vor: 1. Verbessertes Firmenimage, eine
neue Werbeagentur; 2. Schwerpunkt auf dem Amiga: 3. verbesserter Produktvertrieb;
4. neue Märkte - Schulen, Hochschulen, Regierung; 5. bessere Kundenbetreuung,
nach dem Motto »zufriedene Kunden kaufen weiter, unzufriedene auch -
aber bei der Konkurrenz«. Er stellte auch neue Leute hierfür ein,
wovon mehrere ihre Sporen bei Apple verdient hatten. Die Entwickler nahmen
die neuen Töne erstaunt wahr; noch größer war das Staunen,
als ihnen klar wurde, daß ihre Meinungen für den neuen Chef nicht
nur von Bedeutung, sondern sogar erwünscht waren.
Rasch wurden neue Produkte vorgestellt, die bislang vor
sich hin vegetiert hatten: eine 68030-Karte, Professional Video Adapter,
die Lovell Grafikkarte, ein verbesserter Festplattencontroller, eine Mehrfachkarte
für serielle Schnittstellen, eine ArcNet-Karte für Amiga 500 und
2000, die neuen Chips der Enhanced-Custom-Chip-(ECS)-Reihe. Die Entwicklung
des Amiga 3000 wurde erstmals offiziell bestätigt.
Coppermanns Angriff auf den Schulmarkt wurde mit einem Video
eingeleitet: »Amiga in The Classroom«. Aber weiteres Interesse
mußte geweckt, und damit zu ungewöhnlichen Mitteln gegriffen werden:
eine zweite Premiere! Am 11.Oktober 1989 wurde das »Amiga Relaunch«
mit Veranstaltungen in New York und Los Angeles gefeiert: Die komplette Relaunchmannschaft
jettete quer über die USA von der ersten zur zweiten Veranstaltung!
Vorgestellt wurden aber keine neuen Computer, sondern die neuen Werbefilme,
die von Lucasfilms Commercials produziert wurden (Ja, George Lucas ist auch
Amiga-Fan!), und die Druckwerbung unter dem Motto »The Computer for
the Creative Mind«. (Wie lautete damals der Spruch auf dem Aufkleber,
der meinem Amiga beigelegt war: »Mensch laß deinen Ideen freien
Lauf!«). Einen Eklat gab es, als die Zeitschrift TIME in derselben Ausgabe
(30.Oktober), in der diese Werbung auf sieben Seiten erschien, auch einen
Bericht brachte, in dem der Amiga Relaunch als »Benefizveranstaltung
für eine abgetakelte Diva« beschrieben wurde und nur als Aufhänger
für einen Artikel zum Einbruch in der Computerbranche diente.
Harry Coppermann faßte die ersten fünf Jahre
der Amiga-Geschichte treffend zusammen: »Commodore hat im Angebot eines
der bestgehüteten Geheimnisse der heutigen PC-Industrie: eine Produktreihe
mit dem Namen Amiga.« Gleichzeitig konnte er das Erreichen der 1-Millionen-Grenze
beim Verkauf dieses Geheimnisses bekanntgeben. Der Amiga hatte sich trotz
Commodore etablieren können! Auch die Finanzzeitschriften nahmen den
neuen Besen bei Commodore zur Kenntnis: Business Week bezeichnete Commodore
als »führende Firma im Multimediasektor« und das Wall Street
Journal begutachtete die neue Richtung wohlwollend.
Die Werbekampagne brachte den erhofften Erfolg nicht, auch
wenn der Amiga 500 sich eines deutlich gestiegenen Umsatzes erfreuen konnte.
Der Durchbruch wurde in Großbritannien geschafft, nachdem der Amiga
dreieinhalb Jahre lang ein Außenseiterdasein gefristet hatte. Zum Weihnachtsgeschäft
wurden binnen sechs Wochen über 100.000 Amiga 500 an den Mann gebracht!
Wie bereits erwähnt, war dieser Erfolg auf eine konsequente »Paketstrategie«
zurückzuführen: da gab es »Air Miles« mit Gutschein für
500 Meilen ab London, verschiedene Spiele und ein Paket für den Bürobereich.
Händler zogen mit und boten (teilweise zusätzlich) eigene Pakete
an. Im Schnitt war jedem Amiga 500 Software im Wert von 500 Mark beigelegt!
Ein Teil des Erfolgs ging auf das Konto der Firma Ariadne
zurück, die ein Emulationsprogramm für den landesweit verbreiteten
Acorn BBC Computer geschrieben hatte; die Emulation war nicht nur multitaskingfähig,
sondern auch in manchen Bereichen schneller als der BBC selbst. Da dieser
Computer in fast allen Schulen des Landes eingesetzt wurde, tat sich ein
großer Markt auf.
Bald machte das Gerücht die Runde, es werde an einer
Laptop-Ausführung des Amiga gearbeitet und die heiße auch noch
'Arrow'. Daß diese Spekulation nicht ganz grundlos war, hat Dale Luck
bestätigt: »Als ich bei Commodore als Berater tätig war, haben
wir am Design eines Laptops gearbeitet. Ich habe noch einen der zwei oder
drei Prototypen, die wir damals in Handarbeit zusammengebastelt haben. Die
Hauptplatine ist eine modifizierte Version der Amiga500-Platine, die genau
in das alte SX 64-Gehäuse (die 'tragbare' Version des C 64 - ein heißbegehrtes
Sammlerstück) paßte. Das Gerät hatte 1 MByte Speicher und
ich suchte dafür einen Festplattenadapter, eventuell eine 68020-Karte
und eine 5 bis 6 Zoll große farbige LC-Anzeige. Aus irgendwelchen Gründen
hatte Commodore an einem Laptop kein Interesse mehr und das Projekt wurde
schon als Prototyp gestrichen.« Anderweitig bestand aber Interesse.
Auf der New Yorker Ami-Expo im März 1989 hatte die Firma MicroMomentum
eine »schleppbare« Ausführung gezeigt und hierzulande sollte
von Gigatron ein Laptop zur CeBIT 1990 kommen - kam aber nicht, weil Commodore,
wie schon so oft, keine Lizenz für die Sonderchips vergeben wollte...
März 1990
DevCon: Das Geheinnis um »Baby« wird gelüftet
- keine Spielkonsole, sondern ein neues Zwittergerät, ein Amiga-CD-Zwitter.
Damit wurde eine Phase eingeleitet, in der erstmals seit drei Jahren neue
Modelle zu sehen waren. Am 24.April wurde in New Yorker Palladium die Premiere
von Amiga 3000 und AmigaVision gefeiert. Der Aufwand war wesentlich geringer
als 1985 aber nicht minder beeindruckend. Die Videovorführung zeigte
die Fähigkeiten des neuen Programms und des neuen Computers gleichzeitig.
Damit war nicht nur der Einstieg, sondern effektiv die (vorläufige)
Übernahme eines aktuellen Anwendungsbereichs geschafft: Amiga lieferte,
was Apple unter der Bezeichnung 'Multimedia' propagierte!
Der Amiga 3000 signalisierte auch den Abschied von der 16/24-Bit-Technologie
mit dem Wechsel zu einer vollen 32-Bit-Architektur - das Betriebssystem war
schon immer in 32 Bit, die CPU intern ebenso - mit einem auf 512 KByte angewachsenem
Betriebssystem - nicht die lange gehandelte 1.4 sondern 2.0; eine Bezeichnung,
die laut allen bis dato gemachten Ingenieursaussagen nur dann verwendet werden
sollte, wenn die Rückwärtskompatibilität nicht mehr gewährleistet
wäre.
Harry Coppermann hatte sich passende Worte zurechtgelegt:
»Jetzt sind wir dran. Jetzt ist unsere Zeit gekommen. Die Technologie
hatten wir bereits vor viereinhalb Jahren. Um die Wahrheit zu sagen, wir
hatten ein multimediafähiges Produkt, bevor Multimedia produktreif war.
Schauen Sie sich die anderen Firmen an: Sie reden von Multimedia, aber sie
bringen es nicht. Sie liegen weit hinter Conmmodore zurück.
Sechs Wochen später; CES Chicago: der zweite Streich.
Aus »Baby« ist das »Commodore Interactive Graphics Player«,
besser bekannt unter dem Marktnamen »Commodore Dynamic Total Vision«,
kurz CDTV geworden. Die Markteinführung von CDTV wurde jedoch auf 1991
verschoben: um sicherzustellen, daß es für das neue Gerät
auch hinreichend Software gab. Commodore konnte rosigen Zeiten entgegensehen.
Aber was dann kam, war typisch Commodore. Wie heißt
es im »Deathbed Vigil«-Video: »Sie rissen die Niederlage aus
den Klauen des Erfolgs!«
Ohne groß zu überlegen, wurde kurzerhand auf
dem Höhepunkt des Errolgs der Amiga 500 abgesetzt und durch den 500+
mit dem ECS-Chipset ersetzt. Plötzlich funktionierten etliche Spiele
auf dem 500+ nicht mehr! Sogar die Spiele-Entwickler waren überrascht.
Proteste halfen nichts, die Firmenleitung blieb stur. Es sollte noch schlimmer
kommen. Die PC-Abteilung mußte aufgegeben werden, weil der Marktanteil
kaum erkennbar war.
Die alten Amiga 500 mußten aus dem Lager, um Platz
für den 500+ zu machen: Absatz zu reduzierten Preisen - ein Verlustgeschäft
(wenn auch nicht für die erfreuten Käufer). Dann wurde Henry Rubin
durch Bill Sydnes als Leiter der Hardwareseite abgelöst, und die Entwicklung
blieb fast schlagartig stehen.
Bis Februar 1991 waren die ersten Prototypen des A(G)A-Chipset
fertig. Sie wurden in einige wenige Entwicklungsgeräte eingebaut; dieser
Amiga 3000+, mit dem zusätzlichen »AT&T DSP 3210« als
Soundprozessor wurde auf den Entwicklerkonferenzen in Denver und Mailand
vorgestellt. Die Serie sollte ab April anlaufen und wurde von der Firmenleitung
gestoppt. Gleiches galt bis Oktober für alle A(G)A-Projekte. Stattdessen
wurde der als »Billiggerät« für Computereinsteiger geplante
Amiga 300 umgemodelt und unter der Bezeichnung Amiga 600 als A500-Ersatz
auf den Markt gebracht - ein Gerät, das weniger bot und mehr kostete!
Die Firmenleitung ordnete für 1992 die Entwicklung
eines Geräts für die Marktlücke zwischen Amiga 300 und Amiga
3000 an: der Amiga 2200 wurde jedoch rundweg von allen Niederlassungen abgelehnt.
Die kritische Finanzlage spitzte sich immer mehr zu.
Die Bosse gaben nach: Grünes Licht für AA. Aus
den Entwürfen für Amiga 3000+ und 2200 entsteht der Amiga 4000,
mit Betriebssystem 3.0. Der Einfluß des von IBM-Gedanken geprägten
Sydnes macht sich im Wechsel von SCSI zu IDE deutlich bemerkbar. Obwohl der
neue Amiga endlich mit A(G)A-Chips ausgeliefert wird und farbenmäßig
mit dem Macintosh konkurrieren kann, ist die Reaktion nicht völlig zustimmend.
Für »das untere Ende des Markts« wird der
Amiga 1200 entwickelt: diesmal mit mehr Mitteln und das Ergebnis kann sich
sehen lassen. Fürs Weihnachtsgeschäft erscheint das neue Modell
fast zu spät, und die Nachfrage übersteigt bei weitem das Angebot.
Es bahnt sich die Katastrophe an: angesichts des A1200 will niemand den A600.
Auch der Amiga 3000 fällt bei den Käufern in Ungnade. ECS ist eindeutig
»out«. Die Verlustzahlen steigen weiter.
CDTV hat sich auch als Fehlschlag entpuppt. Die Technologie
ist gegenüber den neuen Modellen überaltet, das Programmangebot
ist von mäßiger Qualität. 1993 wird der Nachfolger, CD32,
auf der Grundlage des A1200 entwickelt. Alle sind mit dem Entwurf zufrieden:
CD32 ist sowohl Spielkonsole, als auch zum Computer erweiterbar und kann
als preiswerter Multimediatreiber eingesetzt werden. Aber die Mittel für
die Serienproduktion reichen nur für etwa 100.000 Geräte, wovon
allein in Großbritannien etwa 50.000 verkauft werden. Laut Deathbed-Vigil-Video
hätte »Commodore mit 400.000 Geräten überleben können«.
Alles fällt der Finanznot nach und nach zum Opfer.
Es findet keine Neuentwicklung statt; das AAA-Projekt wird eingestellt, obwohl
die ersten Chips bereits existieren. Commodore kann die Lieferanten nicht
mehr bezahlen. Nur an dem MPEG-Modul zum CD32, am Amiga 4000T und am Betriebssystem
3.1 wird weitergearbeitet.
April 1994
Commodore ist am Ende. Wer sich nach einer anderen Stelle
umschauen will, wird von der Firmenleitung dazu ermutigt. Wunder werden nicht
erwartet.
25.April. Es werden Entlassungen bekanntgegeben; nur noch
30 Mitarbeiter bleiben - auf Höhepunkt waren es über 1000.
29.April. Auf den Bahamas reichen mehrere Niederlassungen
den Auflösungsantrag ein. Commodore ist pleite. Wie konnte die drittgrößte
Firma auf dem europäischen Markt so tief fallen? Bereits 1989 äußerte
sich Dale Luck zu Mängeln in der Firmenführung: »Unter den
Mitgliedern des Aufsichtsrats war kein einziger mit einem brauchbaren technischen
Hintergrund. Keiner hat die Technologie wirklich kapiert. Commodore ist eine
seltsame Gesellschaft. Man hat den Eindruck, sie geben nur vor, Computerhersteller
zu sein. Andere Firmen haben Produktpaletten, setzen Ziele, planen lange
im Voraus; die Leute vom Management verstehen die Ziele und was zu tun ist.
Commodore scheint immer hinterherzurennen. Die Manager haben das Delegieren
nicht gelernt. Commodore hat MOS Technology, eine wunderbare Chipfirma, nie
richtig genutzt. In der Qualitätskontrolle gibt es Probleme, die in
anderen Firmen in der Entwicklung und nicht in der Herstellung gelöst
werden. Die Softwareleute machen es richtig, wie man bei 1.4 sieht.«
Ziemliche herbe Kritik von jemand, der Bescheid wußte.
Rettungschancen hatte es durchaus gegeben. Im »Deathbed
Vigil« erfährt man zwei davon: »Commodore hat eine Vereinbarung
mit einer großen japanischen Firma ausgehandelt. Die sollte den Amiga
in Japan weiterverkaufen. Japan war ein großer Markt, der noch nicht
von IBM und Apple dominiert wurde. Nur Apple hatte einen Fuß in der
Tür, weil der Macintosh die Kanjischrift gut darstellen konnte, etwas,
was der Amiga mit der richtigen Software auch schaffen kann. Letztendlich
kam es auf persönlichen Kontakt an, die traditionelle Begegnung der
Firmenchefs. Und die Topmanager haben es vermasselt - gleich zweimal!«
»Sun Microsystems wollte einen OEM-Vertrag [Verkauf
des Produkts einer anderen Firma unter ihrem Firmennamen] für den Amiga
3000 UX als billiges 680x0 UNIX-Gerät zur Ergänzung ihrer neuen,
teuren SPARCs. Commodores Firmenleitung wollte nicht.«
Nachtrag:
(Martin Heine)
1995: Die deutsche Escom AG ersteigert Commodore
mit allen Rechten, es wird die hundertprozentige Tochter »AMIGA Technologies
GmbH« (AT) gegründet. Doch mit dem Einkauf des Markennamens 'Commodore'
scheint auch der Fluch des Mißmanagements übernommen worden zu
sein - Escom kommt zunehmend in finanzielle Nöte, der Tochterfirma AT
fehlen die nötigen Mittel für eine zügige Weiterentwicklung.
Lediglich die Produktion des A1200 und des A4000T werden
wieder aufgenommen. Beiden Rechnern ist ein attraktives Software-Bundle beigelegt,
bestehend aus Textverarbeitung, Datenbank, Tabellenkalkulation, Malprogramm,
Bildbearbeitungsprogramm, Präsentationssoftware und zwei Spielen. Für
das Marketing, das schon unter Commodore quasi nicht vorhanden war, fehlt
das Geld.
1996: AT präsentiert auf der CeBIT einen neuen
Amiga, den "Walker", der jedoch nur geringe Modifikationen, einen
schnelleren Prozessor und ein zwar eigenwilliges, aber gut erweiterbares
Gehäusedesign bietet. Zudem wird der A1200 zusätzlich im überaus
günstigen "Surfer-Paket" vermarktet - zum "Magic"-Softwarebundle
kommen ein Modem, komplette Internetsoftware und 100 Freistunden im Internet
hinzu.
Für das nächste Jahr wird der langersehnte RISC-Amiga
mit Motorolas PowerPC-Prozessor angekündigt.
Derweil aber macht das Mutterunternehmen Escom, inzwischen
unter der Führung von Helmut Jost, ehemals Commodore Deutschland, noch
größere Verluste. In der Folge muss auch Escom Konkurs anmelden
und reißt die Tochterfirma Amiga Technologies mit.
Bereits kurz zuvor bot die amerikanische Viscorp mit Sitz
in Chicago, Hersteller von Settopboxen für Digitales Fernsehen, 40 Millionen
Dollar für die Übernahme von AT. Bereits im Frühjahr hatte
Viscorp Lizenzen für die Amiga-Custom-Chips und das AmigaOS für
die eigene Settopbox-Entwicklung erworben.
1997/98: Der Amiga ist nicht totzukriegen - auch
die dritte Krise nach den Finanzschwierigkeiten der ursprünglichen Amiga
Inc. und dem Konkurs Commodores 1994 wird überstanden: Nach langwierigen
Verhandlungen zwischen Escoms Konkursverwalter und den diversen Firmen, die
Kaufangebote unterbreiteten, erhält überraschend der amerikanische
PC-Riese Gateway2000 den Zuschlag für sämtliche Rechte an der Amiga-Technologie
sowie die verbliebenen Geräte. Während der Konkursverhandlungen
setzte die AMIGA Technologies GmbH i.K. mit Minimalbesetzung den Verkauf
von Amiga-Computern fort.
Die AMIGA Technologies GmbH unter Petro Tyschtschenko (davor
bei Commodore Deutschland) setzt ihre Arbeit unter dem neuen Namen »AMIGA
International Inc.« (AI) als hundertprozentige, aber weitgehend eigenständige
Tochterfirma von Gateway2000 fort, es geht wieder aufwärts. Während
AMIGA International für Verkauf und Marketing verantwortlich zeichnet,
gründet Gateway2000 eine zweite Tochterfirma in den USA: AMIGA Inc.,
zuständig für Research & Development, die neue Amiga-Entwicklungsabteilung.
Geleitet wird sie von Jeff Schindler, der zuvor bei Gateway2000 eine Kombination
aus PC und Fernseher entwickelte.
Da Gateway2000 im Gegensatz zu Escom ausschließlich
den Amiga gekauft hat, nicht aber die Rechte am Namen »Commodore«,
hofft die Amiga-Gemeinde, daß damit auch der Fluch von ihrer "Freundin"
genommen wurde - und in der Tat ließ bisher bei den Folgeinhabern des
Commodore-Namens der finanzielle Niedergang nicht lange auf sich warten.
Strittig bleiben die Amiga-Rechte für China - sie wurden
unmittelbar nach ihrer Ersteigerung durch Escom weiterverkauft und befinden
sich mittlerweile im Besitz der Firma »Lotus Pacific«. Sie stellt
den A6000-WonderTV vor - ein Amiga als Multimediagerät fürs Wohnzimmer:
Heimcomputer, 32-Bit-Spielekonsole, Internet-Zugang, Abspieler für MPEG-Video-CDs,
Photo-, Audio- und Karaoke-CDs, mit Office-Software, als Computer erweiterbar
- und all das zu einem sehr niedrigen Preis.
Ein großer Fortschritt unter AI gegenüber ihren
Vorgängern ist die Vergabe von Lizenzen - erstmals ist es anderen Firmen
möglich, Spezialchips und das Betriebssystem zur Herstellung eigener
Amiga-Klone zu verwenden. Ankündigungen neuer Amiga-kompatibler Computer
mit dem offiziellen "powered by Amiga"-Label schießen aus
dem Boden, die Ansätze sind unterschiedlich. Die Palette erstreckt sich,
um nur einige Beispiele von Klon-Herstellern zu nennen, von mit Extras versehenen
A1200-Boards in Towergehäusen (Micronik) über neue, an den Amiga
4000 anknüpfende Designs (A5000, A6000 - DCE) und gänzlich neue
Motherboards (»Access«, »Boxer« - Index Information)
bis hin zum High-End-Amiga von Phase 5 Digital Products, Arbeitsname »Pre\Box«:
Ein neuer Rechner mit 4 (!) PowerPC-CPUs und AmigaOS.
15. Mai 1998: Auf der "World of Amiga" in London gibt Jeff Schindler, General Manager
von Amiga, Inc., erste Hinweise auf die Zukunftspläne. Motto: "AMIGA kicks
off the future!".
Ziel sei es, durch einen großen Sprung in einem Schritt dorthin zu kommen, wo
der Amiga ohne fünfjährigen Entwicklungsstopp etappenweise Ende 1999
angelangt wäre. Es erfolgt somit ein Bruch, die bisherigen, auf Motorolas
680x0-Prozessoren basierenden Amigas von Commodore und dazu kompatible
Lizenz-Rechner sind nunmehr "Amiga-Classic".
Das zunächst projektierte Betriebssystem-Update AmigaOS 3.5 wird es nicht
geben - zumindest nicht von AI, da man alle Kapazitäten auf das AmigaOS
der neuen Generation konzentrieren will.
Der radikale Bruch mit den bisherigen Systemen und dem entsprechenden Zubehör-Markt
stieß bei vielen Entwicklern nicht gerade auf uneingeschränkte
Begeisterung. Positiver Effekt aber war, daß Phase 5 und Haage&Partner
ihre Querelen bezüglich der PowerPC-Software für die
PowerUp-Turbokarten von Phase 5 einstellten und nun gemeinsam an einer
zweiten Schiene neben den Plänen von AI für die Zukunft des
Amiga-Computers arbeiten. Somit gibt es also auch für die
Classic-Amigas eine schrittweise Weiterentwicklung auf Grundlage der
PowerUp-Boards bzw. künftiger PowerPC-Amiga-Clones von Phase 5.
Die Pläne von Amiga, Inc. sehen vor, auf einen neuen Prozessor zu
migrieren - jedoch nicht, wie erwartet, auf Motorolas PowerPC-CPU, sondern
auf einen noch geheimen Superchip, der zugleich unglaubliche
Multimedia-Fähigkeiten in sich vereint. Dieser Prozessor nun soll nicht
nur weitaus leistungsfähiger sein als PC-HighEnd-Systeme, sondern sogar
zudem auch wesentlich billiger.
Für Verwirrung sorgte zunächst, daß AmigaOS 4.0 auf
Intel-kompatiblen Prozessoren laufen soll. Nach dem ersten Aufschrei des
Entsetzens, der durch die Amiga-Gemeinde ging, klärte sich jedoch auf,
daß dies nur eine Übergangslösung ist: AmigaOS 4.0 ist nur
für Entwickler gedacht und nicht für den End-User. Da nämlich
die Entwicklungsumgebung für den künftig im Amiga werkelnden
Superprozessor nur für den PC existiert, dort also der Superprozessor,
den es bisher nur als Prototyp gibt, emuliert wird, müssen die
Software-Entwickler ihre Programme für den "Amiga-II" bis zu dessen
Erscheinen zunächst auf normalen PCs schreiben.
AmigaOS 5.0 aber, das eigentliche neue Betriebssystem, zu welchem AmigaOS
4.0 auf dem Entwicklersystem nach und nach entwickelt wird, erscheint dann
auf dem neuen "Amiga-II"-System (eine offizielle Benennung steht noch aus).
Die Entwicklungs-PCs mit dem Übergangs-Betriebssystem AmigaOS 4.0
sollen ab November 1998 erhältlich sein, der "Amiga-II" soll Ende 1999
fertiggestellt sein.
Kommentar von "Mr.Exec", Carl Sassenrath, Mitglied der ursprünglichen
Amiga-Entwickler-Crew, dem AmigaOS das Multitasking verdankt:
"I would never have believed it, had I not been there and seen it with my own
eyes. This technology really seems to be the best match for the Amiga
philosophy, one that meets high-end expectations at low-end price. It will be
fun to again see the Amiga blow the socks off everything else thats out there."
03. Oktober 1998: Amiga Inc. gibt bekannt, daß es doch ein AmigaOS
3.5 für die "Classic"-Linie geben wird. Erscheinungszeitraum: erstes
Quartal 1999. Zwanzig Firmen seien an der Entwicklung beteiligt, die Koordination
erfolgt durch Fleecy Moss von Amiga Incorporated. Es wird auf CD-ROM veröffentlicht,
aufsetzend nach wie vor auf den 3.1er Kickstart-ROMs. Die Version 3.5 wird
Internet-Software enthalten und PowerPC-Turbokarten unterstützen.
13.November 1998: Auf der Computer`98 in Köln, der alljährlich
größten Amiga-Messe der Welt, gibt AI eine Allianz mit QNX Software Systems Ltd. (QSSL)
für die Entwicklung des AmigaOS 5.0 bekannt.
Wie eine auf der QSSL-Homepage downloadbare Demo-Disk eindrucksvoll beweist, ist
die QNX-Architektur ähnlich effizient wie das AmigaOS. Zudem bietet QNX
mit seiner Skalierbarkeit auf Microkernel-Ebene beste Voraussetzungen für
die von Amiga Incorporated angestrebte weite Produktpalette von der Settop-Box
bis zur Workstation.
Mein Bericht von der Pressekonferenz (in Englisch) findet sich u.a. in den
CUCUG-Aminews.
26.Februar 1999: Das Amiga-Hauptquartier zieht um
nach San Diego, Kalifornien. Die bisher selbständigen
Gateway-Töchter Amiga Inc. (Research & Development, USA) und
Amiga International Inc. (Sales & Marketing, Deutschland) werden nun zu
einem einzigen Unternehmen zusammengefaßt, welches
weiterhin hundertprozentige, aber selbständig
operierende Tochterfirma von Gateway bleibt. Neuer
Gesamt-Amiga-Chef wird Jim Collas, ehemaliger Senior Vice President
von Gateway. Jeff Schindler und Petro Tyschtschenko bleiben
in ihren bisherigen Positionen als Manager für
Produkt-Strategie bzw. für Verkauf und Marketing. In
Kürze wird zudem das Software-Entwicklungszentrum in
San Jose, Kalifornien, unter der Leitung von Dr. Allan
Havemose, Vice President of Engineering und Leiter der
Betriebssystem-Entwicklung seit AmigaOS 2.1, seine
Tätigkeit aufnehmen. Sein Silicon-Valley-Team wird in
nächster Zeit rapide aufgestockt werden, um auf
Grundlage des Echtzeit-Kernels Neutrino von QNX SSL das
revolutionäre neue Betriebssystem AmigaOS 5.0 zu
entwickeln.
12.März 1999: Auf der Amiga`99 in St. Louis hat
die Amiga-Gemeinde erstmals die Möglichkeit, Jim Collas
persönlich kennenzulernen - und alle sind sich einig:
er ist der Mann, auf den wir gewartet haben. Er
hinterläßt einen durchweg positiven Eindruck -
und was das wichtigste ist: als ehemaliger Senior Vice
President von Gateway steht nun jemand an der Spitze von
Amiga, der auch alle Vollmachten hat; sein Wechsel zu Amiga
ist auch äußeres Zeichen für den Umstand,
daß seit Jahresbeginn nun endlich Gateway voll hinter
den Plänen von Amiga Inc. steht.
News von der Amiga-Show: Die Entwicklung von OS 3.5 obliegt
nun gänzlich der deutschen Amiga International Inc.,
die Ausführung leitet die Amiga-Software-Firma
Haage&Partner. Als Erscheinungszeitraum wird August genannt,
der Preis soll bei knapp hundert Mark liegen. Bei
entsprechenden Verkaufszahlen des Updates ist eine weitere
Fortsetzung der "Classic"-Linie möglich - offenbar auch hin
zu neuen "PPC-only"-Rechnern. Dank des 68k-Emulators von
Haage&Partner soll anscheinend eine schrittweise Portierung
des originalen AmigaOS von Motorolas 680x0-Prozessoren zu
deren PowerPC-Familie erfolgen. Entsprechend ist es gut
möglich, daß die Welt künftig gleich zwei
parallele Linien von Amiga-Systemen sehen wird.
Denn auch die Entwicklung des neuen AmigaOS 5.0 schreitet
voran, Amiga Inc. stellt nun viele neue Entwickler ein. Im
September soll die Entwicklermaschine mit "AmigaSoft 4.0 Alpha" für
Software-Entwickler erscheinen, damit zum Erscheinen der
ersten Next-Generation-Amigas zum Jahresende 1999 bereits
einiges an Software zur Verfügung steht. Die ersten
AmigaNG-Rechner sollen Multimedia-Computer in der Tradition
des Amiga 500 sein, Jim Collas sprach von
500-Dollar-Systemen mit der Leistung von 3000-Dollar-PCs.
Als Betriebssystem kommt eine Beta-Version des AmigaOS 5.0 zum Einsatz, die
endgültige Fassung soll im zweiten Quartal 2000
fertiggestellt sein.
Am 16.März wurde dann auch im Internet der
Zusammenschluß der alten Amiga, Inc. aus South Dakota,
USA, und der Marketing-Firma Amiga International, Inc. aus
Langen, Deutschland, zur neuen Amiga, Inc. mit Hauptquartier
in San Diego, Kalifornien, vollzogen - die Adressen
www.amiga.com und www.amiga.de sind nun identisch,
verantwortlich für die Gesamt-Amiga-Homepage zeichnet
die deutsche Amiga International, Inc.
25.Juli 1999: Auf der "World of Amiga" in London
legen Jim Collas und sein Team noch einmal ihre Strategie
dar, wie sie einige Tage zuvor auch auf Amigas Website im
"Technologie-Brief" vorgestellt wurde.
Demnach stellt künftig nicht, wie ursprünglich
vorgesehen, QNX die Grundlage des neuen "Amiga Operating
Environment", sondern Linux. Der Grund für diesen
Wechsel trotz der technologischen Überlegenheit und
weit größeren philosophischen Nähe zum
AmigaOS von QNX zu Linux ist rein marketingtechnisch zu
sehen, nicht technisch.
Ein weiterer Grund könnte natürlich auch der neue
Zentralprozessor sein.
Trotzdem Amiga Inc. die CPU des neuen Amiga MCC ("Multimedia
Convergence Computer") noch immer nicht offiziell bekannt
gegeben hat, weisen die kaum noch subtil zu nennenden
Andeutungen doch klar auf die derzeit geheimnisumwittertste
Prozessorfirma überhaupt: Transmeta.
Der Chip von Transmeta ist insbesondere im Hinblick auf die
Emulation fremden Codes legendenumwoben. Und zwar ist dieser
VLIW-Prozessor in der Lage, fremde Instruktionssets zu
übersetzen und in nativer Geschwindigkeit auszuführen.
Als Beispiel wurde auf der WOA bei einer Präsentation
gesagt, daß er z.B. einen Block von acht x86-Opcodes als
bloß zwei eigene Instruktionen ausführt.
Unter anderem arbeitet für Transmeta auch der "Vater"
des Betriebssystems Linux, Linus Torvalds. Angeblich ist er
auch an den Anpassungen des Linux-Kernels für das neue
AmigaOE beteiligt.
Der Amiga MCC soll zum Jahresende herauskommen. Das
Gehäuse ist auf den ersten Blick videorekorderartig, schwarz,
mit zwei der sieben USB-Ports vorne links, rechts dem
Einschaltknopf und mittig zentriert schließlich oben das
DVD-Laufwerk und darunter ein Schacht für optionale
Laufwerke (weitere Daten siehe Technologie-Brief in der
Rubrik "Executive Update" auf Amigas Website; in Kürze soll
offenbar auch der URL www.amigamcc.com genutzt werden).
Insgesamt wird ein Absatz an Amigageräten (also nicht
bloß MCCs, sondern alle möglichen
AmigaOE-fahrenden Produkte) für die nächsten 5 Jahre von
60 Millionen Geräten erwartet. Es werden parallel zum MCC
auch reine Motherboards verkauft, sodaß Händler und
Endkunden auch eigene Gerätekonfigurationen in
Standard-PC-Gehäusen zusammenstellen können.
AmigaObjects soll auf einer weiten Reihe von Systemen laufen, von
Computern bis zu DVD-Spielern, Stereo-Anlagen, Fernsehern, Palmtops,
et cetera - und alles zusammen erscheint dann für den
Anwender als ein einziges zusammenhängendes System.
Das OS soll nicht einfach eine weitere Linux-Distribution sein,
bloß ein schmaler, angepaßter Linux-Kernel soll verwendet
werden. Das Entwicklersystem aber, das ebenfalls zum Jahresende
herauskommt, wird als eine komplette Linux-Distribution mit dem
aufgesetzten AmigaOE erscheinen, damit die Entwickler auf existierende
Linux-Entwicklertools zurückgreifen können.
AmigaOS 3.5 verzögert sich ein paar Wochen. Wenn es sich gut
verkauft, wird es weitere Versionen geben - wenn nicht, wird 3.5 das
allerletzte OS-Update für die Original-Amigas
bleiben.
Im Vorfeld der WOA schließlich hat der
Amiga-Zubehör-Entwickler Phase 5 bekanntgegeben,
daß man das neue Neutrino-Betriebssystem von QNX SSL
auf die aktuellen und kommenden PowerPC-Turbokarten für
die bisherigen Amigas umsetzen wird und zugleich einen neuen
Computer namens Amirage auf PPC-Basis und mit Neutrino als
Betriebssystem angekündigt. Da dieses System weit eher dem
"Amiga-Spirit" entspricht und das darstellt, was sich die
Amiga-Gemeinde als Amiga der nächsten Generation
erhofft hat, wurde diese Ankündigung von vielen
Amiganern, die von Amigas geplanter "Linux-Box"
enttäuscht sind, mit großer Begeisterung
aufgenommen.
01. September 1999: Der Amiga-Fluch schlägt
wieder zu - Jim Collas verläßt Amiga
Incorporated, nachdem Microsoft Druck auf Amigas Mutterfirma
Gateway ausgeübt und eine Kursänderung bewirkt
hat. Eben aufgrund dieser Erpreßbarkeit der PC-Firma
Gateway sowie auch den "Immunsystemen" solcher Unternehmen
gegen alles "Artfremde", hatte sich Jim Collas zuletzt
bemüht, AI möglichst unabhängig von Gateway
zu machen, am besten sogar dergestalt, daß Gateway nur
noch eine Minderheitsbeteiligung gehabt hätte - leider
zu spät...
Was es zu bedeuten hatte, wenn der Lotse Jim von Bord ging,
war allen sofort klar, und ein Protesthagel regnete auf AI
und Gateway herab, welcher sich noch intensivierte, als der
neue Amiga-Präsident Thomas Schmidt am 14.09. in einem
Executive Update die Befürchtungen bestätigte: Es
wird von AI keinen Computer und kein OS mehr geben; was
bleibt ist eine Java-Anwendung, die aber die substantiellen Schwächen
der Betriebssysteme, für die sie erscheinen wird, auch
nicht wird beseitigen können.
Aus der Einsicht heraus, daß sich die Amiga-Gemeinde
nun selber wird helfen müssen, schließen sich namhafte
Persönlichkeiten - darunter die Amiga-Gurus Carl Sassenrath
und RJ Mical, sowie Wolf Dietrich von Phase 5, Dave Haynie
von Metabox und Dan Dodge von QNX - zum "Phoenix Consortium"
zusammen, um gemeinsam eine Zukunft für die Amiga-Gemeinde
zu definieren.
Am 17.09. schließlich gibt Schmidt nach den wilden
Proteststürmen der letzten Tage ein neues Executive
Update heraus, in dem er anbietet, Lizenzen an das Phoenix
Consortium oder andere Interessenten für neue
Amiga-Computer und ein neues OS zu vergeben. Damit scheint
die Zukunft des Amiga wieder einmal gerettet - vorerst.
18. Oktober 1999: Das neue AmigaOS 3.5 ist auf dem
Markt.
31. Dezember 1999: Die beste Neujahrsbotschaft für
alle Amiganer: Gateway hat eingewilligt, Amiga an die Amino
Development Corporation von Ex-Amiga-Inc-Mitarbeiter Bill
McEwen zu verkaufen - somit ist die Amiga wieder einmal dem
Totengräber von der Schippe gesprungen, da Gateway
offenkundig kein Interesse mehr an seiner Tochterfirma
hatte, beziehungsweise alles, was Gateway wertvoll erschien, ins
eigene Haus verlagert hat, namentlich die Strategien
bezüglich der Internet Appliances und der "Amiga
Objects", welche nun sicherlich als "Gateway Objects" das
Licht der Welt erblicken werden.
08. Januar 2000: Die neue Amiga Corporation, vormals Amino
Development, gibt ihre Partnerschaft mit der Tao-Group
bekannt, welche ein Realtime-OS ähnlich QNX entwickelt
hat.